Im Gespräch mit Boris Richter
Beim Projekt H2Cast in Etzel, Niedersachsen, wird die Speicherung von Wasserstoff in Salzkavernen getestet, die zuvor für Erdgas genutzt wurden.
Der Schlüssel für Versorgungssicherheit: Energiespeicher
Fast täglich berichteten die Medien vergangenen Winter von den Füllständen deutscher Gasspeicher. Erstmals kam das Thema Speicher und ihre Bedeutung ins Bewusstsein der Bevölkerung. Insbesondere Für die Energiewende sind Speicher von enormer Bedeutung. Allein im Jahr 2021 wurden 5,8 TWh Erneuerbare Energien abgeregelt, um das Netz nicht zu überlasten. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 1,5 Mio. Haushalten.
Im Gegensatz zu Strom kann Wasserstoff kostengünstig und vor allem langfristig gespeichert werden. Speicher spielen für die künftige Energieversorgung deshalb eine wichtige Rolle. Darüber sprachen wir für diese Ausgabe zum Thema Speicher mit Boris Richter, Geschäftsführer der STORAG ETZEL GmbH, dem größten unabhängigen Betreiber von Kavernenspeichern in Deutschland.
NWN: Aktuell speichern wir in Deutschland große Mengen Gas in unterirdischen Kavernen für den Winter. Künftig wollen wir weg vom Erdgas bzw. LNG und möglichst viele Prozesse elektrifizieren. Brauchen wir die Kavernenspeicher dann noch in ihrem aktuellen Umfang?
Boris Richter: Die Kavernen haben die Aufgabe Energie, z.B. in Form von Gas zu speichern. Genau dann, wenn Energie in großen Mengen, z.B. im Winter aus dem Fernleitungsnetz entnommen werden, unterstützen die Speicher und decken die Bedarfsspitzen durch Ausspeichern von Gas zusätzlich ab. Die Speicher haben eine Pufferfunktion. Ein Import von Energie, z.B. über den Seeweg per LNG-Tanker erfolgt ja auch diskontinuierlich, also punktuell über eine kurze Zeit. Damit sind Kavernenspeicher zusätzlich gefordert und müssen ihre Funktion erfüllen.
Aus dem erneuerbaren Strom von der Nordsee will man künftig Wasserstoff herstellen, der dann z.B. in Etzel gespeichert werden kann. Warum speichern wir den erneuerbaren Strom nicht direkt in großen Batterien und speisen den Strom später ins Netz, wenn wir ihr benötigen?
BR: Rein vom Wirkungsgrad macht es absolut Sinn, die Elektronen direkt zu speichern. Allerdings sind Akkumulatoren derzeit viel zu klein in ihrer Kapazität. Eine Gaskaverne mit Methanmolekülen kann eine Terrawattstunde Energie speichern. Damit kann eine kleine Stadt problemlos mit Energie für ein ganzes Jahr versorgt werden. In Etzel sind aktuell 51 Gaskavernen in Betrieb.
Wasserstoff lässt sich auch überirdisch in mobilen Tanks speichern. Wo ist der Vorteil der unterirdischen Speicherung?
BR: Das Volumen einer Kaverne ist sehr viel größer als ein gewöhnlicher Tank. Im Schnitt sind die Kavernen in Etzel zwischen 300.000 m³ und 600.000 m³ groß. Das Gasmedium kann mit bis zu 200 bar komprimiert und somit viele Millionen Kubikmeter Gas in eine Kaverne gespeichert werden. Man würde viele hunderte Tanks an der Oberfläche und damit enorm viel Fläche benötigen.
Künftig wollen Sie in Etzel auch Wasserstoff speichern. Im Projekt H2Cast rüstet Storag Etzel bereits eine Kaverne dafür um. Wo stehen Sie aktuell bei dem Projekt?
BR: Aktuell haben wir einen Dichtheitstest mit Wasserstoff positiv abgeschlossen und werden im Herbst weitere Erprobungen durchführen. Es werden weitere Bauarbeiten über- und untertage durchgeführt.
Der Großteil der deutschen Vorhaben für Wasserstoffspeicherung liegt in Niedersachsen. Warum gibt es insbesondere hier so viele Speicher?
BR: Kavernen sind bergmännisch angelegte, also künstliche Hohlräume in Salzformationen. Man benötigt demzufolge neben der Technologie auch einen Lagerstättenkörper aus Salz. Gewöhnlicherweise sind dies Salzstöcke oder Salzkissen. Diese Salze sind vor ca. 270 Millionen Jahre im Erdzeitalter des Perms entstanden. Ein Meer ist in mehreren Schritten ausgetrocknet und Restbestandteile des Meeres, weitestgehend das Salz, hat sich abgelagert. Das damalige Meer entstand aufgrund einer Beckenstruktur, eben im norddeutschen Becken. Damit haben wir den örtlichen Bezug auch gleich hergestellt. Denn ca. 70 Prozent der Salzvorkommen an Land liegen bezogen auf Deutschland in Norddeutschland und weitestgehend in Niedersachsen. Deshalb gibt es hier in Niedersachsen viele Kavernenspeicher, weil eben viel Salz unter unseren Füßen vorhanden ist.
Was sind die größten Herausforderungen bei der unterirdischen Speicherung von Wasserstoff?
BR: Wir müssen viele technische, aber auch genehmigungsrechtlichen Fragen beantworten. An aller erster Stelle stehen die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung, unserer Mitarbeiter und unserer Anlage im Vordergrund. Da wir ein Bergbaubetrieb sind, unterliegen wir dem Bergrecht und unsere Genehmigungsbehörde ist das LBEG in Clausthal-Zellerfeld. Das Bergamt ist unsere Aufsichtsbehörde und prüft sehr gewissenhaft unsere Anträge.
Über H2Global soll Ende 2024 erstmals grüner Wasserstoff nach Deutschland importiert werden. In den kommenden Jahren gehen die ersten Großelektrolyseure ans Netz. In Niedersachsen werden bald große Menge Wasserstoff entstehen und anlanden. Bis wann brauchen wir funktionsfähige Wasserstoffspeicher?
BR: Wir gehen davon aus, dass ab 2027/2028 Wasserstoffspeicher benötigt werden und der Markthochlauf für Wasserstoff erfolgt. Dies bedeutet aber auch, dass die Kavernenspeicher auch entsprechend mit Wasserstoffleitungen angeschlossen sind. Die Infrastruktur dafür muss aufgebaut sein, sonst funktionieren Speicher nicht. Die Leitungen sind sowas wie Lebensadern, in denen die Energie transportiert wird.
In unserem künftigen Energiesystem aus Erneuerbaren Energien müssen wir große Mengen Wasserstoff einspeichern, um Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Angenommen wir rüsten alle bestehenden Kavernenspeicher um – reichten die aktuellen Kapazitäten für den künftigen Speicherbedarf überhaupt aus?
BR: Wenn für die Industrie komplett Erdgas durch Wasserstoff ersetz werden soll und wir davon ausgehen, dass dies über Dekaden erfolgt, dann wird der derzeitige Speicherhohlraum nicht ausreichen. Denn betrachtet man das energetisch, so hat Wasserstoff fast viermal weniger Energie als Erdgas. Bedeutet also, um dieselbe Energie zu speichern, bedarf es viermal mehr Speichervolumen. Man bedenke auch, dass neben dem Wasserstoffspeicherbedarf auch noch der Speicherhohlraum, wenn auch abnehmend für Erdgas bereitgestellt werden muss.
Über welche Größenordnung sprechen wir beim künftigen Speicherbedarf?
BR: Aktuelle Studien sehen den Speicherbedarf für Wasserstoff im Jahr 2050 bei 74 Terrawattstunden.
Wie lange wird es dauern, entsprechende Kapazitäten aufzubauen?
BR: In Etzel benötigen wir ca. zwei bis vier Jahre, um bestehende Kavernen für die Wasserstoffspeicherung umzurüsten und etwas länger, um an 24 neu geplanten Lokationen neue Wasserstoffkavernen im Salzstock zu errichten. Die bergrechtlichen Genehmigungen, um neue Kavernen zu bauen haben wir bereits. Den Nachweis, dass Wasserstoff problemlos in Kavernen gespeichert werden kann, erbringen wir die kommenden Jahre mit unseren Partnern im H2CAST Forschungsprojekt. Das Projekt ist durch das Land Niedersachsen und den Bund gefördert.
Vielen Dank, Herr Richter.
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