Im Gespräch mit Boris Richter

Im Gespräch mit Boris Richter

©STORAG ETZEL

Beim Projekt H2Cast in Etzel, Niedersachsen, wird die Speicherung von Wasserstoff in Salzkavernen getestet, die zuvor für Erdgas genutzt wurden. 

Der Schlüssel für Versorgungssicherheit: Energiespeicher

Fast täglich berichteten die Medien vergangenen Winter von den Füllständen deutscher Gasspeicher. Erstmals kam das Thema Speicher und ihre Bedeutung ins Bewusstsein der Bevölkerung. Insbesondere Für die Energiewende sind Speicher von enormer Bedeutung. Allein im Jahr 2021 wurden 5,8 TWh Erneuerbare Energien abgeregelt, um das Netz nicht zu überlasten. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 1,5 Mio. Haushalten.

Im Gegensatz zu Strom kann Wasserstoff kostengünstig und vor allem langfristig gespeichert werden. Speicher spielen für die künftige Energieversorgung deshalb eine wichtige Rolle. Darüber sprachen wir für diese Ausgabe zum Thema Speicher mit Boris Richter, Geschäftsführer der STORAG ETZEL GmbH, dem größten unabhängigen Betreiber von Kavernenspeichern in Deutschland.

NWN: Aktuell speichern wir in Deutschland große Mengen Gas in unterirdischen Kavernen für den Winter. Künftig wollen wir weg vom Erdgas bzw. LNG und möglichst viele Prozesse elektrifizieren. Brauchen wir die Kavernenspeicher dann noch in ihrem aktuellen Umfang?

Boris Richter: Die Kavernen haben die Aufgabe Energie, z.B. in Form von Gas zu speichern. Genau dann, wenn Energie in großen Mengen, z.B. im Winter aus dem Fernleitungsnetz entnommen werden, unterstützen die Speicher und decken die Bedarfsspitzen durch Ausspeichern von Gas zusätzlich ab. Die Speicher haben eine Pufferfunktion. Ein Import von Energie, z.B. über den Seeweg per LNG-Tanker erfolgt ja auch diskontinuierlich, also punktuell über eine kurze Zeit. Damit sind Kavernenspeicher zusätzlich gefordert und müssen ihre Funktion erfüllen.

Aus dem erneuerbaren Strom von der Nordsee will man künftig Wasserstoff herstellen, der dann z.B. in Etzel gespeichert werden kann. Warum speichern wir den erneuerbaren Strom nicht direkt in großen Batterien und speisen den Strom später ins Netz, wenn wir ihr benötigen?

BR: Rein vom Wirkungsgrad macht es absolut Sinn, die Elektronen direkt zu speichern. Allerdings sind Akkumulatoren derzeit viel zu klein in ihrer Kapazität. Eine Gaskaverne mit Methanmolekülen kann eine Terrawattstunde Energie speichern. Damit kann eine kleine Stadt problemlos mit Energie für ein ganzes Jahr versorgt werden. In Etzel sind aktuell 51 Gaskavernen in Betrieb.

 

Wasserstoff lässt sich auch überirdisch in mobilen Tanks speichern. Wo ist der Vorteil der unterirdischen Speicherung?

BR: Das Volumen einer Kaverne ist sehr viel größer als ein gewöhnlicher Tank. Im Schnitt sind die Kavernen in Etzel zwischen 300.000 m³ und 600.000 m³ groß. Das Gasmedium kann mit bis zu 200 bar komprimiert und somit viele Millionen Kubikmeter Gas in eine Kaverne gespeichert werden. Man würde viele hunderte Tanks an der Oberfläche und damit enorm viel Fläche benötigen.

 

Künftig wollen Sie in Etzel auch Wasserstoff speichern. Im Projekt H2Cast rüstet Storag Etzel bereits eine Kaverne dafür um. Wo stehen Sie aktuell bei dem Projekt?

BR: Aktuell haben wir einen Dichtheitstest mit Wasserstoff positiv abgeschlossen und werden im Herbst weitere Erprobungen durchführen. Es werden weitere Bauarbeiten über- und untertage durchgeführt.

„Wir wollen den niedersächsischen Standort Etzel „H2-ready“ machen, d.h. vorbereiten auf den absehbaren Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, der helfen wird, die deutsche Industrie zu dekarbonisieren, sprich CO2-freier und klimafreundlicher zu gestalten. Auf diese Weise wird die Versorgungssicherheit mit CO2-freier Energie in Zukunft gewährleistet. Der Standort ist dabei für Nordwesteuropa von entscheidender Bedeutung. Die Energiewende braucht ab spätestens dem Jahr 2030 diese Großspeicher, da H2-Angebot und -Nachfrage zeitlich und räumlich auseinanderliegen werden. Den Standort zukunftsfähig für nachfolgende Generationen aufzustellen, das ist unser Ziel!“

Boris Richter

Kaufmännischer Geschäftsführer, Storag Etzel

Der Großteil der deutschen Vorhaben für Wasserstoffspeicherung liegt in Niedersachsen. Warum gibt es insbesondere hier so viele Speicher?

BR: Kavernen sind bergmännisch angelegte, also künstliche Hohlräume in Salzformationen. Man benötigt demzufolge neben der Technologie auch einen Lagerstättenkörper aus Salz. Gewöhnlicherweise sind dies Salzstöcke oder Salzkissen. Diese Salze sind vor ca. 270 Millionen Jahre im Erdzeitalter des Perms entstanden. Ein Meer ist in mehreren Schritten ausgetrocknet und Restbestandteile des Meeres, weitestgehend das Salz, hat sich abgelagert. Das damalige Meer entstand aufgrund einer Beckenstruktur, eben im norddeutschen Becken. Damit haben wir den örtlichen Bezug auch gleich hergestellt. Denn ca. 70 Prozent der Salzvorkommen an Land liegen bezogen auf Deutschland in Norddeutschland und weitestgehend in Niedersachsen. Deshalb gibt es hier in Niedersachsen viele Kavernenspeicher, weil eben viel Salz unter unseren Füßen vorhanden ist.

 

Was sind die größten Herausforderungen bei der unterirdischen Speicherung von Wasserstoff?

BR: Wir müssen viele technische, aber auch genehmigungsrechtlichen Fragen beantworten. An aller erster Stelle stehen die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung, unserer Mitarbeiter und unserer Anlage im Vordergrund. Da wir ein Bergbaubetrieb sind, unterliegen wir dem Bergrecht und unsere Genehmigungsbehörde ist das LBEG in Clausthal-Zellerfeld. Das Bergamt ist unsere Aufsichtsbehörde und prüft sehr gewissenhaft unsere Anträge.

 

Über H2Global soll Ende 2024 erstmals grüner Wasserstoff nach Deutschland importiert werden. In den kommenden Jahren gehen die ersten Großelektrolyseure ans Netz. In Niedersachsen werden bald große Menge Wasserstoff entstehen und anlanden. Bis wann brauchen wir funktionsfähige Wasserstoffspeicher?

BR: Wir gehen davon aus, dass ab 2027/2028 Wasserstoffspeicher benötigt werden und der Markthochlauf für Wasserstoff erfolgt. Dies bedeutet aber auch, dass die Kavernenspeicher auch entsprechend mit Wasserstoffleitungen angeschlossen sind. Die Infrastruktur dafür muss aufgebaut sein, sonst funktionieren Speicher nicht. Die Leitungen sind sowas wie Lebensadern, in denen die Energie transportiert wird.

 

In unserem künftigen Energiesystem aus Erneuerbaren Energien müssen wir große Mengen Wasserstoff einspeichern, um Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Angenommen wir rüsten alle bestehenden Kavernenspeicher um – reichten die aktuellen Kapazitäten für den künftigen Speicherbedarf überhaupt aus?

BR: Wenn für die Industrie komplett Erdgas durch Wasserstoff ersetz werden soll und wir davon ausgehen, dass dies über Dekaden erfolgt, dann wird der derzeitige Speicherhohlraum nicht ausreichen. Denn betrachtet man das energetisch, so hat Wasserstoff fast viermal weniger Energie als Erdgas. Bedeutet also, um dieselbe Energie zu speichern, bedarf es viermal mehr Speichervolumen. Man bedenke auch, dass neben dem Wasserstoffspeicherbedarf auch noch der Speicherhohlraum, wenn auch abnehmend für Erdgas bereitgestellt werden muss.

 

Über welche Größenordnung sprechen wir beim künftigen Speicherbedarf?

BR: Aktuelle Studien sehen den Speicherbedarf für Wasserstoff im Jahr 2050 bei 74 Terrawattstunden.

 

Wie lange wird es dauern, entsprechende Kapazitäten aufzubauen?

BR: In Etzel benötigen wir ca. zwei bis vier Jahre, um bestehende Kavernen für die Wasserstoffspeicherung umzurüsten und etwas länger, um an 24 neu geplanten Lokationen neue Wasserstoffkavernen im Salzstock zu errichten. Die bergrechtlichen Genehmigungen, um neue Kavernen zu bauen haben wir bereits. Den Nachweis, dass Wasserstoff problemlos in Kavernen gespeichert werden kann, erbringen wir die kommenden Jahre mit unseren Partnern im H2CAST Forschungsprojekt. Das Projekt ist durch das Land Niedersachsen und den Bund gefördert.

 

Vielen Dank, Herr Richter. 

SaltHy: Wasserstoffspeicher in Harsefeld

Im Zuge des Projekts „Clean Hydrogen Coastline“ wollen Industriepartner in der Region Nordwest 400 Megawatt Elektrolysekapazität bis zum Jahr 2026 aufbauen.

Clean Hydrogen Coastline

Im Zuge des Projekts „Clean Hydrogen Coastline“ wollen Industriepartner in der Region Nordwest 400 Megawatt Elektrolysekapazität bis zum Jahr 2026 aufbauen.

Sektorenkopplung für den Eigenbedarf

Sektorenkopplung für den Eigenbedarf – das Pilotprojekt KRUH2 der OGE stellt diesen Aspekt bei der Wasserstoffproduktion, Speicherung und Nutzung in den Fokus.

Hydrogen Cavern for Mobility

Im Projekt HyCAVmobil (Hydrogen Cavern for Mobility) erforscht EWE mit Partnern unter welchen Bedingungen sich reiner Wasserstoff in Salzkavernen einlagern lässt.

H2Marsch

Der Zugang zu Wasserstoff wird sukzessive zu einem zentralen Standortfaktor. In der Region Wesermarsch hat sich daher die Allianz „H2Marsch“ gebildet, welche die Versorgung der Region mit Wasserstoff sicherstellen will. Hierdurch sollen nicht nur 6.000 Arbeitsplätze gesichert, sondern perspektivisch auch 240.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr reduziert werden.

Green Octopus Mitteldeutschland (GO!)

Das Projekt Green Octopus Mitteldeutschland „GO!“ von ONTRAS Gastransport und VNG Gasspeicher soll u.a. die Stahlregion Salzgitter und das Helmstedter Revier mit dem ostdeutschen Wasserstoffnetz und dem künftigen Wasserstoffspeicher in Bad Lauchstädt verbinden. Hierzu werden Leitungen von insgesamt rund 305 Kilometern Länge für den Wasserstofftransport umgestellt bzw. neu errichtet.

Wasserstoffspeicher in Krummhörn

In Krummhörn testet Uniper die Konstruktion und den Betrieb eines unterirdischen Wasserstoffspeichers.

Wasserstofftrocknung durch Absorption

Bilfinger entwickelt aktuell in Cloppenburg eine Demonstrationsanlage zur Wasserstofftrocknung. Die Trocknung ist nötig, um den Wasserstoff nach der Speicherung (z.B. in Kavernen) wieder verstromen oder ins Netz einspeisen zu können.

CHESS – Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in der Wesermarsch

Im Rahmen des Projektes CHESS (Compressed Hydrogen Energy Storage Solution) in Huntorf (Landkreis Wesermarsch) wollen EWE und Uniper gemeinsam ihre jeweilig vorhandene Gas- und Strominfrastruktur umrüsten. Ziel ist es, vor Ort eine neue Wasserstoffinfrastruktur schnell, effizient und kostensparend aufzubauen.

Green Wilhelmshaven

In dem Projekt Green Wilhelmshaven wird der Import von Wasserstoff mittels Ammoniaks im Großmaßstab ermöglicht; gleichzeitig jedoch auch grüner Wasserstoff per Elektrolyse vor Ort produziert. Hierdurch werden Kapazitäten aufgebaut, die zusammen 10-20% des Wasserstoff-Bedarfs ganz Deutschlands im Jahr 2030 decken könnten.

Im Gespräch mit Lars Eichhorn

Im Gespräch mit Lars Eichhorn

Credit DBT Inga HaarQuelle: LUH

©Technik-Salon, Leibniz Universität

Innovationslabor „Nachhaltige Wasserstoff-Verbrennungskonzepte“ (WaVe)

Mehr als 20 Forschungsteams in Niedersachsen arbeiten an Lösungen für die Wasserstoff-Wirtschaft. Viele davon im Rahmen der fünf Innovationslabore, die vom EFZN koordiniert werden.

Ein Beitrag zur stärkeren Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft war die Vorstellung des EFZN-Wasserstoff-Kompetenzpapieres. Das Papier ist eine „Leistungsschau“ des seit 2018 bestehenden Forschungsverbundes Wasserstoff Niedersachsen.

Das NWN hat die Veröffentlichung zum Anlass genommen sich mit Lars Eichhorn, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technische Verbrennung und Forschender im Innovationslabor WaVe, zu unterhalten.

Herr Eichhorn, Sie arbeiten in einem der fünf Innovationslabore in Niedersachsen. Womit beschäftigt sich das WaVe?

Eichhorn: Das Innovationslabor beschäftig sich in drei Projekten mit nachhaltigen Wasserstoff-Verbrennungskonzepten (WaVe). Ein Projekt beschäftigt sich mit Wasserstoffmotoren in Fahrzeugen. Dort wird untersucht, mit welchen Konzepten und angepassten Komponenten bestehende Nutzfahrzeugmotoren mit Wasserstoff betrieben werden können. Das zweite Projekt untersucht, wie in einem Gaskraftwerk Erdgas durch Wasserstoff ersetzt werden kann. Beim dritten Projekt, an dem ich persönlich arbeite, möchten wir zeigen, dass mit Wasserstoff Primärregelleistung in Gas- und Dampfkraftwerken bereitgestellt werden kann. Die dafür notwendige kurzfristige Leistungssteigerung einer Dampfturbine wird mit zusätzlichem Prozessdampf erzeugt, der das Reaktionsprodukt der Wasserstoff-Sauerstoff-Verbrennung ist.

Wieso können solche Prozesse nicht elektrifiziert werden?

Eichhorn: In dieser und vielen weiteren Anwendungen werden Temperaturniveaus jenseits der 500 Grad Celsius benötigt. Vor allem in der Produktion von Keramik, Glas, oder Zement ist der Wärmebedarf sehr groß. Dort ist die thermische Nutzung bedeutend effizienter als die elektrische Nutzung von Wasserstoff.

Sie versuchen hier diese Verbrennung noch effizienter zu machen. Wie funktioniert das?

Eichhorn: Besonders anspruchsvoll ist hierbei der Umgang mit der sehr heißen Wasserstoff-Sauerstoff-Flamme, welche bei atmosphärischem Druck und Temperaturen über 3000 °C verbrennt. Dazu entwickeln wir einen Brenner, welcher der thermischen Belastung standhalten kann und für eine optimale Vermischung der Gase, sowie eine betriebssichere Stabilisierung der Flamme sorgt. Im Vordergrund steht die Reduzierung der Verbrennungstemperatur auf ein technologisch beherrschbares Niveau.

Und das machen Sie mit Wasser?

Eichhorn: Richtig. In vielen Fällen wird dafür Wasserdampf genutzt, welcher der Verbrennung zugefügt wird; herausfordernd sind die erforderlichen Mengen. In unserem Forschungsansatz wird die Flamme mit flüssigem Wasser gekühlt, welches durch den Sauerstoff zerstäubt wird und als Wasser-Sauerstoff-Spray in die Brennkammer eintritt. Innerhalb der Brennkammer erfolgen die Mischung und Oxidation des Wasserstoffs. In ersten Versuchen mit dem neuen Brenner konnte die Flammentemperatur durch das innovative Konzept auf unter 2000 °C reduziert werden. Weitere Vorteile der Nutzung von flüssigem Wasser sind die in der Zuleitung geringeren Leitungsquerschnitte im Vergleich zum dampförmigen Wasser und dass keine Primärenergie benötigt wird, um Wasserdampf herzustellen. Dadurch ist diese Technologie deutlich flexibler und schneller einsatzbereit.

Dampf lässt sich ja aber schon relativ zügig herstellen. Wo brauchen wir denn diese zeitliche Flexibilität?  

Eichhorn: Ziel der Primärregelleistung ist die sekundenschnelle Bereitstellung von zusätzlicher Leistung, um die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten. Das Hochfahren eines Dampferzeugers dauert zu lange und eignet sich daher nicht. Stattdessen verwendet unser Forschungsansatz Flüssigwasser – ohne weitere Vorbereitung.

Sie arbeiten darüber hinaus auch in einem Grundlagenlabor am Wasserstoff Campus Hannover. Was wird hier untersucht?

Eichhorn: Das Grundlagenlabor wurde in erster Linie geschaffen, um bei den Studierenden das Interesse an Wasserstoff im Allgemeinen und vor allem an nachhaltigen verbrennungstechnischen Themen zu wecken. Und tatsächlich erleben wir zwar abnehmende Teilnehmerzahlen bei den Vorlesungen zu Verbrennungsmotoren, jedoch steigendes Interesse seitens der Studierenden an Wasserstofftechnologien und alternativen Kraftstoffen. Insbesondere durch das Labor erhalten wir einige Initiativbewerbungen für unsere innovativen Forschungsprojekte.

Vielen Dank Herr Eichhorn.

 

 

 

 

Im Gespräch mit Tobias Moldenhauer von EWE

Im Gespräch mit Tobias Moldenhauer von EWE

Credit DBT Inga HaarQuelle: privat

Tobias Moldenhauer, Leiter Wasserstoff im Geschäftsbereich Wasserstoff und Großspeicher bei der EWE AG in Oldenburg.

„Was es jetzt braucht, ist ein Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz“

TES-H2 und EWE planen den Bau eines 500-MW-Elektrolyseurs am Wilhelmshavener Green Energy Hub. Damit machen die beiden Unternehmen einen weiteren wichtigen Schritt für die Energiewende.

Der Elektrolyseur soll ab 2028 in Betrieb gehen. Die Kapazität soll zunächst 500 Megawatt betragen, und später mit einer weiteren geplanten Anlage auf eine Gesamtkapazität von 1 Gigawatt erweitert werden. Die Unterzeichnung einer Absichtserklärung beider Unternehmen steht im Rahmen der deutschen Energiestrategie, saubere Energie aus der Nordsee zu gewinnen und die Versorgung für die Wasserstofferzeugung zu erweitern. Weitere Infos zum Projekt finden Sie hier.

Diese Zusammenarbeit hat Lis Blume vom NWN als Anlass genommen mit Tobias Moldenhauer, Leiter Wasserstoff im Geschäftsbereich Wasserstoff und Großspeicher der EWE AG zu sprechen.

 

Tobias, gemeinsam mit TES-H2 baut EWE in Wilhelmshaven einen 500 MW-Elektrolyseur. In einem zweiten Schritt soll die Kapazität dann auf 1 GW ausgebaut werden. Kannst du kurz einordnen, welche Bedeutung dieses Projekt für die Energiewende in Niedersachsen und Deutschland hat? 

Wir sind fest davon überzeugt, dass die Energiewende und die damit verbundene Abkehr von fossilen Energieträgern mit grünem Wasserstoff gelingen wird. Damit schaffen wir eine Möglichkeit, die erneuerbaren Energien speicherfähig zu machen. Grüner Wasserstoff wird damit ein wichtiger Bestandteil der Energiezukunft in der Region, in der die besten Voraussetzungen für das Zentrum einer grünen, europäischen Wasserstoffwirtschaft vorliegen: dem Nordwesten Deutschlands. Hier in der Region ist der Anteil an erneuerbaren Energien groß und es gibt zahlreiche Infrastruktur-Komponenten, wie Gasspeicher und eines der größten Gasverteilnetze Deutschlands. Alle Maßnahmen und Projekte bauen aufeinander auf und haben ein gemeinsames Ziel: den Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. Das wollen wir gemeinsam mit Partnern wie TES angehen und vorantreiben. Dafür haben wir kürzlich eine gemeinsame Absichtserklärung besiegelt.

Das ist nicht euer erstes Projekt in der Wasserstoff-Wirtschaft. Welche „Learnings“ aus den anderen Projekten könnt ihr hier einsetzen?

Noch stehen wir am Anfang zahlreicher Wasserstoff-Projekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Erzeugung über Transport und Speicherung bis zur Anwendung in der Industrie und im Schwerlastverkehr. Wir kooperieren mit anderen Unternehmen und entwickeln gemeinsam Ideen und Projekte, um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. Einen Demonstrator zur Wasserstofferzeugung haben wir bereits in Betrieb und eine Wasserstofftankstelle ebenfalls, weitere befinden sich gerade in der Umsetzung. Daraus nehmen wir natürlich auch Erkenntnisse mit in die Entwicklung großskaliger Projekte. Fakten schaffen wir außerdem bereits bei der Wasserstoff-Speicherung. Im brandenburgischen Rüdersdorf bauen wir gerade eine Testkaverne und erproben gemeinsam mit dem DLR die Ein- und Auslagerung des Wasserstoffs in einem unterirdischen Hohlraum und die Wasserstoffqualität nach der Entnahme aus der Kaverne. Einen wichtigen Meilenstein haben wir vor wenigen Wochen bereits erreicht: Die 1.000 Meter lange Zuleitung zur Kaverne ist nachweislich dicht.

Bei anderen Wasserstoff-Projekten, wie Clean Hydrogen Coastline oder Hyways for Future hat EWE Förderanträge bei Land und Bund gestellt. Dieses Mal nicht. Warum?

Um einen Förderantrag einreichen zu können, ist erst einmal eine konkrete Projekt-Vorplanung nötig. Mit der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zwischen EWE und TES-H2, also einer gemeinsamen Absichtserklärung, steigen wir jetzt erst in diese Vorplanung ein. Wir werden daher nach aktuellem Stand auch in diesem Elektrolyseprojekt auf Fördergelder angewiesen sein.

Die neue niedersächsische Landesregierung spricht von Deutschlandgeschwindigkeit und Energiewende-Turbo für solche Projekte. Ist der Turbo schon in der Praxis angekommen?

Wir hoffen sehr, dass Genehmigungsprozesse sich bei Energiewende-Projekten verschlanken. Deutschland hat mit dem neuen LNG-Beschleunigungsgesetz gezeigt, dass dies möglich ist. Was es jetzt braucht, sind entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen für eine zügige Umsetzung aller Energiewende-Projekte, wie beispielsweise durch ein Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz.

Den grünen Strom für die Elektrolyse wollt ihr aus den Windparks in der Nordsee beziehen. Wird Offshore Wind bis 2028 so weit ausgebaut sein, dass ausreichend Energie für die Elektrolyse zur Verfügung steht?

Der Ausbau der Erneuerbaren – egal ob Onshore- oder Offshore Windenergie – geht natürlich Hand in Hand mit dem Ausbau der Wasserstoffwirtschaft. Wir gehen daher davon aus, dass zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme unseres geplanten Elektrolyseurs in Wilhelmshaven im Jahr 2028 der Windenergieausbau entsprechend vorangeschritten ist, so dass wir keinen Engpass bei der Beschaffung des Grünstroms für die Wasserstofferzeugung befürchten. Dazu sind wir selbstverständlich in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern.

Vielen Dank.

 

 

Im Gespräch mit Stefan Kaufmann

Im Gespräch mit Stefan Kaufmann

Im Gespräch mit Dr. Stefan Kaufmann

Credit DBT Inga HaarQuelle: NWN

Lis Blume (NWN) und Dr. Stefan Kaufmann im Gespräch. ©NWN

Energieinfrastruktur von morgen

Für den erfolgreichen Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft bedarf es einer internationalen Wasserstoff-Infrastruktur. Mit Dr. Stefan Kaufmann, dem ehem. Bundesbeauftragten für Wasserstoff spricht Lis Blume vom NWN über über Niedersachsens Rolle in der Transformation des Energiesektors, Regulatorik und Zertifikate für grünen Wasserstoff, EU-Politik sowie internationale Partnerschaften.

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    Interview: Ohne Fachkräfte keine Energiewende

    Interview: Ohne Fachkräfte keine Energiewende

    Im Gespräch mit Dr. Ruggero Capperucci

    Quelle: NWN

    Lis Blume (NWN) und Dr. Ruggero Capperucci (Universität Oldenburg) beim Interview in Oldenburg. ©NWN

    Ohne Fachkräfte schaffen wir keine Energiewende

    Für den erfolgreichen Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft bedarf es einer umfassenden Aus- und Weiterbildung in vielen Sektoren. Denn mit der Umstellung auf Wasserstoff-Technologien gehen zahlreiche Veränderungen in Produktionsprozessen, in der Energie- oder auch der Fahrzeugnutzung einher. Das NWN fasst daher ab sofort aktuelle Qualifizierungsangebote zusammen und gibt einen Überblick über die wichtigsten Angebote in Niedersachsen.

    Lis Blume, verantwortlich für die Kommunikation des NWN, hat sich deshalb mit Dr. Ruggero Capperucci unterhalten, Ansprechpartner für die Fortbildung „Wasserstoff für Fach- und Führungskräfte“ der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Leibniz Universität Hannover und Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES.

     „Bis 2030 brauchen wir 70.000 Wasserstoffspezialisten in Deutschland.“

     

     

    Herr Capperucci, sind unsere Fachkräfte auf die Energiewende gut vorbereitet?

    RC: Liebe Frau Blume, ich muss Ihnen leider eine klare Antwort geben: Nein. In Deutschland herrscht derzeit ein gravierender Mangel an Wasserstoffspezialisten. Eine Schätzung des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes (DWV) geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 70.000 neue Fachkräfte für den Wasserstoffkreislauf ausgebildet werden müssen – und das, bevor die letzten internationalen Ereignisse der Energieunabhängigkeit und der grünen Wende auf nationaler und EU-Ebene einen entscheidenden Impuls verliehen haben.

     

    Wasserstoff als wichtiger Baustein in der Energieversorgung war in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder ein Thema, angefangen in den Achtzigern. Das Thema an sich ist nicht neu – warum fehlt trotzdem die Expertise beim Umgang mit dem Gas?

    RC: Grüner Wasserstoff wird in den nächsten zehn Jahren in verschiedenen Sektoren sein Marktpotenzial entfalten. Die Technologie zur Nutzung von Wasserstoff für Energiezwecke ist seit Jahrzehnten gut bekannt. Dennoch erfordert ihre großflächige Anwendung ein Umdenken und eine Anpassung des gesamten Wirtschafts- und Industriesystems auf verschiedenen Ebenen. Die Energiewende mit Wasserstoff als zentraler „Brücke“ für die Kopplung verschiedener Sektoren bringt eine Vielzahl von technologischen, aber auch juristischen, ökonomischen, betrieblichen Herausforderungen mit sich. Nicht zuletzt sind auch Politik und Verwaltung gefordert, den Umbau in die Wege zu leiten und zu diesem zu begleiten.

     

    Abwärmerohre_zuschnitt_fotolia_©Aleksey-Stemmer

    ©Aleksey-Stemmer

     

    „Für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft werden kompetente Fach- und  Führungskräfte in allen Bereichen entlang der Wertschöpfungsketten, sowie in Politik     und Verwaltung benötigt.“

     

     

    Wir sprechen immer über die Facharbeiter und Verantwortliche in den Unternehmen. Sie bringen jetzt auch noch die Verwaltung ins Spiel – welche Rolle spielt sie beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft?

    RC: Es gibt zurzeit einen starken politischen Willen für den Umbau der Industrie und zahlreiche Investitionen in Modellprojekte. Für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft werden kompetente Fach- und Führungskräfte in allen Bereichen entlang der Wertschöpfungsketten, sowie in Politik und Verwaltung benötigt. Hinzu kommt, dass Projekte der Wasserstoffwirtschaft komplex, interdisziplinär und innovativ sind. Ein dezidiertes Weiterbildungsprogramm kann die Lernkurve verkürzen und die Kosten von Fehlern reduzieren.

    Können Sie das konkretisieren?

    RC: Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen: Für den Einsatz von Wasserstofffahrzeugen in der Fahrzeugflotte muss auch eine eigene Logistik bereitgestellt werden die Entscheidung für ein System legt ein Unternehmen auf Jahre hin fest und zieht zahlreiche Folgeentscheidungen nach sich. Mitarbeiter von Banken oder Versicherungen müssen in der Lage sein, die technischen Dimensionen eines Wasserstoffprojektes einzuschätzen, um dessen Machbarkeit und Finanzierbarkeit zu beurteilen. Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltungen müssen Anträge für neue wasserstoffbezogene Anlagen und Einrichtungen prüfen und die  Wirtschaftsförderungen müssen erkennen, welche Chancen und auch Herausforderungen die Wasserstoffwirtschaft für ihre Region bietet. All diese Personen benötigen eine kontinuierliche, umfassende und aktuelle Fort- und Weiterbildung.

    Quelle: MU

    Olaf Lies, Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz in Niedersachsen (Mitte), setzt sich für den schnellen Aufbau der Wasserstoffwirtschaft ein. Dafür hat er u.a. eine Förderrichtlinie auf den Weg gebracht, mit der Firmen wie aha in Hannover unterstützt werden bei der Umstellung auf nachhaltige Energien.  ©NWN

    Welche Qualifikationen brauchen Fachkräfte im Umgang mit erneuerbaren Energien, aber vor allem mit Wasserstoff?

    RC: Dies hängt von der Branche ab, in der sie tätig sind: Doch allgemein gilt, zusätzlich zu der schon vorhandenen Qualifikation benötigt jede Fachkraft, die sich mit erneuerbaren Energien und vor allem mit Wasserstoff befassen will das nötige Fachwissen. Darüber hinaus sollte sie in der Lage sein, Projekte der erneuerbaren Energien und auch der  Wasserstoffwirtschaft aus verschiedenen Perspektiven in den Blick zu nehmen, diese möglichst zu verstehen und mit verschiedenen Akteuren/Gewerken dieser Bereiche zu kommunizieren. 

     

    Welche Fachkräfte nehmen denn beispielsweise an der Weiterbildung der Universität Oldenburg teil?

    RC: Unter unseren TeilnehmerInnen befinden sich Fachleute mit den unterschiedlichsten Hintergründen: IngenieurInnen, die sich spezifisches Know-how über Wasserstofftechnologien aneignen wollen, BankmitarbeiterInnen, die sich mit spezifischen wirtschaftlichen Fragen zu Zeitplänen und Preistreibern für Wasserstoff befassen wollen, und so weiter. Wichtig ist jedoch, dass diese Fachleute aufgefordert werden, gemeinsam ein virtuelles Wasserstoffprojekt zu entwickeln, das all diese Aspekte umfasst, so dass jeder nicht nur seine eigene Disziplin einbringen kann, sondern auch lernt, mit den Augen des anderen zu sehen und sich ein vollständiges Bild des gesamten Projektprozesses zu machen.

     

    Die Weiterbildung wird in einer Kombination aus Präsenz- und Onlineterminen, sowie Exkursionen angeboten. ©AdobeStock

    „Führungskräfte müssen das  „Ökosystem“ der Wasserstoffwirtschaft verstehen.“

     

    Jetzt haben wir über Fachkräfte gesprochen. In welchen Bereichen müssen sich Führungskräfte fortbilden, um am Ball zu bleiben?

    RC: Führungskräfte müssen entscheiden, ob und wie die Wasserstoffwirtschaft für ihr Unternehmen oder ihren Bereich von Bedeutung sind und ggf. ein Geschäftsfeld aufbauen. Durch den dezentralen Charakter der erneuerbaren Energien bieten sich für viele Unternehmen Möglichkeiten, deren Führungskräfte das „Ökosystem“ der Wasserstoffwirtschaft verstehen müssen. Hierfür braucht es neben einem grundlegenden technischen Verständnis auch das Wissen um die Komponenten, die Dimensionen, die Akteure und die politischen Dimensionen von Wasserstoffprojekten, wie auch der Wasserstoffwirtschaft. Außerdem müssen sie mögliche Geschäftsmodelle einschätzen können und wissen, welche Kompetenzen und Personen sie für ein Wasserstoffprojekt benötigen.

    Ihre Einschätzung: Werden wir ganz neue Ausbildungsberufe sehen, oder muss das Thema Wasserstoff in bestehende Ausbildungen integriert werden?

    RC: Kurzfristig muss der dringende Bedarf an Fachkräften mit eigenen neuen Kursen und Programmen, wie dem unseren, gedeckt werden. Wir zielen darauf ab, in sechs Monaten mit einer hochwertigen akademischen Weiterbildung, die einen starker Praxisorientierung hat, das nötige Fach- und Überblickswissen wie auch die verschieden Perspektiven und eine eigenständige Orientierungsfähigkeit in der Wasserstoffwirtschaft zu vermitteln. Mittelfristig wird das Thema Wasserstoff m.E. mehr und mehr in den normalen Ausbildungskanon eingehen. Doch auch in dieser Phase sehe ich für unser Programm der Weiterbildung von Fach- und Führungskräften der Wasserstoffwirtschaft gut Perspektiven.

    Quelle: NWN

    Wasserstoff für Fach- und Führungskräfte

    Das Weiterbildungsprogramm der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Leibniz Universität Hannover und dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES baut auf bestehenden berufsqualifizierenden Abschlüssen und Erfahrungen der Teilnehmenden auf und versetzt sie in die Lage, Wasserstoffprojekte beurteilen, initiieren und steuern zu können. Bei der Weiterbildung wird ein Wasserstoffvorhaben realitätsnah geplant und kalkuliert.

    Qualifizierungsangebote im Wasserstoffsektor

    Für den erfolgreichen Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft bedarf es einer umfassenden Aus- und Weiterbildung in vielen Sektoren. Das NWN fasst hier die aktuellen Angebote zusammen und gibt einen Überblick der relevanten Qualifizierungen in Niedersachsen.

     

    ©Shutterstock

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